Mit dem Kinderwagen durch St.Pauli – wie lebt es sich als Familie in Hamburg?

mit Kindern in Hamburg

Was können Großstadteltern quer durchs Land berichten? In Folge 2 der Interviewreihe betreten wir das Tor zur Welt: Hamburg ist die zweitgrößte Stadt Deutschlands. Zwischen Alster, Elbe und Großer Freiheit wohnen 1,79 Millionen Menschen. Trotz hanseatischer Zurückhaltung ist in der Stadt vieles im Umbruch, der G20-Gipfel im Juli wirft seine Schatten voraus, die Elbphilharmonie sorgt für neues Weltstadtflair. Wie kinderfreundlich ist Hamburg dabei geblieben?

Hamburg mit Kindern

Auch wenn ich seit mehr als zehn Jahren in Berlin wohne, ist und bleibt Hamburg meine heimliche Liebe. Allerdings kenne ich die Stadt aus einem ganz anderen Blickwinkel: ich habe dort studiert. Kinder spielten zu dieser Zeit kaum eine Rolle in meinem Leben, welches sich zwischen Uni, Hafen und dem Millerntor abspielte. Daher freue ich mich ganz besonders, dass ich mit Inga vom Blog Mama in Hamburg an diese Stätten zurück kommen darf. Inga wohnt mit ihrem Mann und ihrem kleinen Sohn mitten in Hamburg und zeigt uns meine Schatzstadt aus Familiensicht.

Mama in Hamburg
Inga schreibt den Blog „Mama in Hamburg“

Bist Du selbst städtisch oder ländlich aufgewachsen?

Bis zu meinem 7. Lebensjahr habe ich in einer Kleinstadt mit etwa 25.000 Einwohnern gelebt,
danach sind sind in ein 2000-Einwohner-Dorf gezogen, 25 km weit weg von der nächsten größeren
Stadt. Mit 17 Jahren ging es dann zurück in die Kleinstadt und mit 22 Jahren zog ich nach
Hamburg.

Hamburg ist vielseitig, was macht speziell Eure Wohngegend aus?

Wir wohnen auf St. Pauli, allerdings abseits von der Rotlicht- und Partymeile in einer ruhigen
Seitenstraße. Zum Haus mit den sehr kinderfreundlichen Nachbarn gehört ein kleiner Garten und
direkt nebenan befindet sich ein großer Spielplatz, der zwar in den Augen aller Eltern dringend
eine Komplettsanierung braucht, aber von den Kinden trotzdem heiß und innig geliebt wird. In der
Nachbarschaft, sogar im gleichen Haus, gibt es viele Kinder im gleichen Alter und der Kindergarten
ist auch gleich um die Ecke. In weniger als zehn Minuten ist man in Planten un Blomen, einem
großen Park mit tollen Spielplätzen und jeder Menge Grün.

Was gefällt Dir gut mit Kind an Hamburg und was stört Dich dort?

Mir gefällt das große Angebot an Kursen für Schwangere, junge Eltern und Kinder. Aqua Fit für
Schwangere, Rückbildungsyoga, Babymassage, Kinderkonzerte, Krabbelgruppen, Kinderturnen,
Musikgruppen, Pekip, Theater – es gibt nichts, was es nicht gibt und vieles davon ist sogar
kostenfrei.
Und mir gefällt die Vielfalt der Möglichkeiten und dass alles so nah dran ist. Wir können mit der
Hafenfähre durch den Hafen schippern, wir können am Flughafen die Flugzeuge ansehen, wir
können in den Park, auf den Spielplatz, in den Tierpark, heute zum Kinderturnen, morgen zum
Schwimmen und selbst einfach nur eine Fahrt mit dem Bus ist für Kinder ein Highlight. Auch um Freunde zu besuchen oder einkaufen zu gehen sind die Wege kurz und wir brauchen kein Auto.

Als störend empfinde ich die Hundehaufen, Glasscherben und Kotzepfützen (die sind direkt bei uns
zum Glück selten) und dass es in den öffentlichen Verkehrsmitteln oft so voll ist, dass kein Platz
mehr für den Kinderwagen ist.

Hafengeburtstag Hamburg
Für Touristen ein Muss, aber auch Hamburger Kinder schippern gerne durch den Hafen. (pixabay.com)

Und was gefällt Deinem Kind besonders an Hamburg?

Momentan steht Busfahren bei ihm ganz hoch im Kurs. Außerdem Spaziergänge durchs Viertel, es
gibt da so bestimmte Orte, die findet er schon selbst: Die Fußgängerbrücke von der man die
U-Bahn beobachten kann oder einen Laden, der im Schaufenster tanzende kleine Figuren stehen
hat. Einkaufen gehen mag er auch sehr gern, besonders, wenn der Laden einen kleinen
Kindereinkaufswagen hat.

Wie bringst Du Deinem Stadtkind Natur nahe, machst Du Dir darüber Gedanken?

Ich habe ein Pferd, das lebt am Hamburger Stadtrand direkt am Wald und wird regelmäßig von
uns besucht. So lernt mein Sohn den Umgang mit Tieren – wir haben dort auch eine Stallkatze und
einen Hofhund sowie jede Menge Vögel, Enten und Eichhörnchen – kennen und kann viel Zeit
draußen im Wald verbringen. Außerdem haben wir eine Jahreskarte für Hagenbecks Tierpark, das
ist zwar etwas anderes als Pferde am Waldrand, aber dennoch eine kleine Naturoase in der Stadt.

Mit Kind zu Besuch in Hamburg – welches Ausflugsziel kannst Du uns besonders empfehlen?

Das kommt natürlich aufs Alter der Kindes und das Wetter an. Hagenbecks Tierpark geht immer,
denn zusätzlich zum Tierpark gibt es ein Tropenaquarium, dort ist es auch bei typischem
Hamburger Regenwetter warm und trocken. Im Sommer kann ich ganz klar den großen Spielplatz
in Planten un Blomen empfehlen, der hat eine tolle Wasser-Spiel-Landschaft und sogar eine
Wasserrutsche.
Ab etwa 5 Jahren ist für Kinder auch das Miniaturwunderland in der Speicherstadt
sehr interessant und eine Schifffahrt mit der Hafenfähre ist sowieso immer eine gute Idee.

Miniaturwunderland Hamburg Kinder
Auch der Hauptstadtsohn war fasziniert vom Miniaturwunderland in der Hamburger Speicherstadt.

Wie ist die Betreuungssituation bei Euch in der Stadt, hast Du einen Kitaplatz und musstest Du für diesen sehr kämpfen?

In Hamburg ist für Kinder ab einem Jahr der Kita-Besuch für 5 Stunden täglich kostenfrei. Das ist
total klasse, führt aber auch dazu, dass die Krippenplätze noch schneller ausgebucht sind als
damals, als sie noch nicht kostenfrei waren. Mein Sohn geht ab Mai, also ab kurz vor seinem
zweiten Geburtstag in die Kita und da gab es ein kleines Kita-Platz-Drama, denn die Kita, in der er
bereits seit vor der Geburt vorgemerkt war, sagte uns plötzlich ab. Wir haben viele Kitas in der
Umgebung und ich telefonierte sie alle ab – mit schlechten Nachrichten. Teilweise waren über 100
Kinder vor uns auf der Warteliste. Mit ganz viel Glück hat es dann doch noch geklappt. Es ist
definitiv ratsam, schon während der Schwangerschaft das Kind auf die Wartelisten der Kitas setzen
zu lassen, sonst kann es sein, dass man keinen wohnortnahen Kitaplatz bekommt.

Erntest Du auch Unverständnis oder Vorurteile, wenn es darum geht, dass Du mit Kind mitten in der Stadt wohnst?

Eine Freundin aus der Kleinstadt war doch tatsächlich ganz verwundert darüber, dass mein Sohn
nicht an der Leine laufen muss. Besonders lustig wird das, wenn man weiß, dass vor unserem
Haus vielleicht 10 Autos am Tag vorbeifahren, da wir am Ende einer Sackgasse wohnen, sie selbst
jedoch mit ihrem Kind direkt an einer vielbefahrenen Hauptstraße lebt. Mein Kind muss also
natürlich nicht an der Leine laufen. Es gibt, wie in jeder anderen Stadt und wie in jedem Dorf
Stellen, da laufen wir Hand in Hand und Stellen, da läuft er einfach so neben oder knapp vor mir.

Ob wir nicht lieber aufs Dorf ziehen wollen, werden wir tatsächlich auch oft gefragt. Dafür spricht,
dass die Miete günstiger ist, aber auf der anderen Seite bräuchten wir dann auch mindestens ein
Auto, hätten Kosten für den Kitaplatz, müssten mit dem Auto zum Einkaufen, zu Verabredungen,
zur Arbeit usw. Hier machen wir alles zu Fuß oder mit dem Fahrrad und solange wir uns hier noch
so wohl fühlen wie es aktuell der Fall ist, werden wir hier bleiben.

Hamburg Alster
Hamburg punktet mit viel Wasser – und begeistert Kinder mit Zügen und Schiffen.

Stell Dir vor, Du hättest einen Wunsch frei für Hamburg, welcher wäre das?

Wenn ich einen Wunsch für Hamburg frei hätte, dann wünsche mir mehr bezahlbaren Wohnraum
in Innenstadtlage. Viele Eltern hier im Viertel stehen vor der Wahl, ob sie hier wohnen bleiben oder
ein zweites Kind bekommen sollen. Denn in den meisten Fällen bedeutet ein Familienzuwachs,
dass eine Wohnung, die groß genug und bezahlbar ist, nur außerhalb zu bekommen ist – wenn
überhaupt.


Vielen Dank, liebe Inga, für Deine Antworten! Ich freue mich immer, von Eurem Leben mit Kleinkind in Hamburg zu lesen. Auch Tipps zu Schwangerschaft und Babyzeit findet Ihr auf Ingas Blog Mama in Hamburg. Inga ist zudem bei den #Familienmomenten dabei. Viel Spaß beim Lesen!


Wie lebt es sich mit Kindern in Eurer Großstadt? Meldet Euch bei mir, wenn Ihr Eure Stadt vorstellen möchtet. Ich freue mich auf Eure Erfahrungen! Bisherige Folge: Leipzig.

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8 Gedanken zu „Mit dem Kinderwagen durch St.Pauli – wie lebt es sich als Familie in Hamburg?“

  1. Ein schönes Interview! Da kriege ich direkt Lust, mal wieder in den Norden zu fahren. So eine Hafenrundfahrt bei strahlender Frühlingssonne, das wäre schon was…

    Unsere Großstadt ist einen Hauch kleiner als Hamburg. Aber wenn’s interessiert, erzähle uch dir gern etwas über Frankfurt am Main.

  2. Die Frage nach der Leine war gut! Bei den Erzählungen von alle den Aktivitätsmöglichkeiten bekommeich ja doch etwas Lust auf Innenstadtleben mit Kind…

    1. Das Schöne ist ja, wenn man ländlich wohnt, kann man mal in der Stadt Urlaub machen und andersrum genauso. Es hat einfach beides was! LG Svenja

    2. Ja, so Dorf- und Kleinstadtmenschen haben manchmal seltsame Vorstellungen vom Großstadtleben und sehen überall Gefahren. Da bietet sich so eine Leine doch an…nicht.

      Man kann hier schon wirklich viele tolle Angebote mit Kindern nutzen, aber auch außerhalb gibt es natürlich tolle Angebote. Nur in „Kleinkleckersdorf“ wird es schwierig, da fährt man bis zur nächsten Krabbelgruppe locker eine Stunde mit dem Auto.

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