Bist Du schwanger? Über Grenzen und eine Frage zu viel

Bist Du schwanger? Eine übergriffige Frage und ihre Auswirkungen.

Menschen, die schwanger sind, erzählen von ihrer Schwangerschaft, wenn und wann sie möchten. Und sie erzählen von ihrer Schwangerschaft, wem sie möchten. Eigentlich gäbe es zu diesem Thema nicht mehr zu sagen, wäre da nicht die ständig gestellte Frage „Bist Du schwanger?“

Seit meiner letzten Schwangerschaft sind ein paar Jahre ins Land gezogen. Mein jüngstes Baby wurde jüngst eingeschult. Und doch zähle ich nicht mehr, wie oft ich in den letzen Jahren gefragt worden bin, ob ich schwanger sei. Einstellig ist diese Zahl schon lange nicht mehr. Und ehrlich? Das Fass ist voll, der letzte Tropfen hat es zum Überlaufen gebracht und mein Verständnis ist vorbei.

Zwei Linien, die zunächst nur zwei Menschen etwas angehen | Bist Du schwanger? Und die Grenzüberschreitung der Frage.
Zwei Linien, die zunächst nur zwei Menschen etwas angehen.

Gefühlt jede_r hat mich gefragt.

Bist Du schwanger? Unzählige Male habe ich diese Frage gehört. Manchmal garniert mit einem Unterton, der besagte, drei seien vielleicht zu viel des Guten. Nachbarn haben mich gefragt, Kolleg_innen, Verwandte von Freund_innen, Urlaubsbekanntschaften, Kita-Erzieher_innen, Menschen, die ich gerade zum ersten Mal im Leben sah. Sie hatten fast ausnahmslos eines gemeinsam: die Antwort auf ihre Frage ging sie nichts an.

Ich habe alle Reaktionen durch.

Ich habe gelacht, ich habe beleidigt reagiert, ich habe einen dummen Spruch gebracht oder war einfach überrascht. Ich habe Sätze geantwortet wie „nein, das ist nur Kuchen“ oder „ich weiß, ich sollte mehr Sport machen“ und diese Antworten bereue ich am meisten, denn sie geben den Fragenden auf eine mir jetzt unangenehme Art und Weise das Recht, zu fragen. Ja, mein Bauch ist dick, Du darfst es gerne kommentieren? Schluss damit!

Ich habe auf twitter nach guten Antworten für „Bist Du schwanger?“ gefragt und habe daraus Lieblingsantworten gezogen: „Das wollte ich Dich auch gerade fragen!“ ist mein Favorit gewesen. Es ist keine Antwort und keine Rechtfertigung. Aber es ist eben auch keine offene Ansprache dessen, dass ich die Frage als eine Grenzüberschreitung empfinde.

Und alle Fragen habe ich erst recht durch!

Und zurechtgelegte Antworten passen auch nicht immer. Denn die Frage nach möglichem heranwachsenden Leben kommt in unterschiedlichem Gewand daher, ich konnte mich nicht auf alle einstellen.

„Wie geht es Euch beiden?“

wurde ich kürzlich ernsthaft gefragt. Es dauerte, bis ich dank des vielsagenden Blickes schnallte, dass niemand hinter mir stand. Es war eine versteckte Gratulation. Nun war die Zeit für eine spontane Antwort schon wieder verstrichen.

„Bist Du gesegneten Leibes?“

war vermutlich die verrückteste Frage. Wie so oft von einem Mann gestellt, daher war meine Antwort „Das wollte ich Dich auch gerade fragen“ auch nur so mäßig. Ich hatte keine andere parat.

Am meisten geärgert habe ich mich über die Frage nach einer Schwangerschaft auf einer Party, nachdem ich den ganzen Abend Wein getrunken hatte. Am stärksten verletzt hat mich die Frage am Strand, als mich der Fragende das erste Mal im Bikini sah. Und mich zwei Tage kannte. Und nicht verstand, warum ich das nicht so prickelnd fand. Was mich zum nächsten Abschnitt bringt:

Mit „Stell Dich nicht so an“ bin ich auch fertig.

Für ihr Fettnäpfchen entschuldigt haben sich die wenigsten. Und auch wenn ich Dritten erzähle, dass ich mal wieder gefragt wurde, ob ich schwanger sei, wird meine Aufregung nicht immer geteilt. Oftmals wird die Frage gerechtfertigt, nicht mein Ärger.

„Dein Kleid war aber auch ziemlich eng.“ oder „Du hast auch noch so einen schwangeren Gang.“

Solche Anmerkungen werde ich künftig genauso wenig hinnehmen wie ein gemeinsames darüber Lachen. Es bedurfte eines Kommentars zu viel, bevor ich meine Grenze erkannte. Für micht ist die Frage immer mehr das, was sie eigentlich die ganze Zeit über war: übergriffig, unnötig und unhöflich. Mein Körper hat das Recht auf Unkommentiertheit!

Es gibt keinen guten Grund, nach einer Schwangerschaft zu fragen!

Menschen, die von einer Schwangerschaft berichten möchten, tun das auch, und zwar wann und wem sie möchten. Für Menschen, die nicht von einer Schwangerschaft berichten möchten, verletzt die Frage Grenzen, sie nervt oder kommt unpassend.

Niemand außerhalb des nahen Umfeldes weiß, was die Frage für Wunden aufreißt, wenn vielleicht ein unerfüllter Kinderwunsch besteht. Gar eine Fehlgeburt zu betrauern ist. Was für ein Schönheitsbild sie gerade manifestiert, was für Zweifel sie füttert, wenn es eben doch nur ein Bäuchlein ist. Und selbst wenn es stimmt, dann ist auch eine Schwangerschaft eine derart intime Sache, dass das wann und wie der Bekanntgabe unbedingt den werdenden Eltern zu überlassen ist.

Viele von Euch kennen mich nicht. Fragt Ihr Euch, ob ich wirklich so aussehe, weil mich viele Menschen nach einer Schwangerschaft gefragt haben? Ich werde es nicht auflösen. Weil es nichts zur Sache tut. Die Frage ist unangemessen, egal, welche Maße der Bauchumfang hat, hatte, haben wird.

Was ich mir wünsche

Als ich mit meinem ersten Kind schwanger war, habe ich als Antwort auf meine Bekanntgabe mal gehört „Ich habe mich schon gefragt, wann Du es erzählst!“ und das finde ich so rückblickend einfach schön, weil mir Zeit und Raum gegeben wurde.

Heute möchte ich mit meinen Freundinnen darüber unterhalten, wie sich 40+ unsere Körper verändern, wie wir unsere Ernährung darauf einstellen (oder auch nicht!). Menschen, die mir nicht nahestehen, mögen sich aus der Diskussion um meinen Bauch bitte heraushalten.

„Bist Du schwanger?“ dürfen mich mein Mann und meine Kinder fragen. Der eine mit Schrecken in der Stimme, die anderen voller Hoffnung. Gute Freund_innen auch noch. Alle anderen dürfen gerne 10 Monate später noch mal schauen, wie es in unserer Familie aussieht.

Wie geht es Euch mit dieser Frage? Teilt Ihr meine Auffassung oder findet Ihr das übertrieben? So oder so – es sind Eure eigenen Grenzen. Wahrt sie und macht sie deutlich. Euch zuliebe.

Eure Svenja

Ich danke Euch für das Teilen des Beitrags!Eine übergriffige Frage und ihre Auswirkungen. Bist Du schwanger?

Bilder von pixabay.com.

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Vielen Dank fürs Teilen <3

10 Gedanken zu „Bist Du schwanger? Über Grenzen und eine Frage zu viel“

  1. Klasse geschrieben.
    Also wirklich, was manche sich herausnehmen! Ich habe das auch schon ein paar mal erlebt. Erst neulich wieder. Und je nach Lebensphase, Beziehungsstatus, Kinderwunschstatus etc. entsprechend verletzend oder belustigend.

    1. Vielen Dank!
      Ja, die Frage trifft nicht jedes Mal. Und doch fragen meist genau diejenigen, die meine Lebensphase nicht genauer kennen, ohne sich über die mögliche Wirkung Gedanken zu machen.

  2. Ich kenne eher die Frage: Ist Deine Freundin (mit Unterton) mal endlich schwanger? Oder die: Ach ein Kind wäre auch schön!- Anspielung. Oder von bekannten Eltern- (nicht Euch!)-Aussage: Kind xy könnte doch noch einen jüngeren Freund brauchen.. oder wenn Schwiegermutter betonen muß, wie schöööön es ist daß Cousine xy ja in guter Erwartung sei, und man implizit Druck bekommt von Menschen, die das halt gar nichts angeht (und damit meine ich explizit nicht, wenn eine gute Freundin wie Du wirklich interessiert nachfragt :-)). Ich glaube, die Menschen meinen das nicht mal böse, und wahrscheinlich meinen sie auch nicht die dämliche Frage nach Schwangerschaft bei Dir böse. Aber gut, daß Du Grenzen setzt! Du bist ein selbständiger Mensch und toll wie Du bist, selbst wenn wir nächstes Jahr zu Ostern drei Plätze im Zug für Dich buchen müssten <3

    1. Die Bahn ist uns ja ohnehin noch ein paar Sitzplätze schuldig 😉
      Ich danke Dir. Ja, auch die Untertöne, Anspielungen, der Druck sind vielleicht nicht böse gemeint, aber zumindest gedankenlos und es bindet Kräfte, sich dagegen abzugrenzen. <3

  3. Ich habe eine hormonelle Erkrankung und nehme dadurch zu aber mein Kinderwunsch gestaltet sich auch schwierig. Dennoch höre ich es ständig meist von Menschen die mich nicht einmal kennen. Ich versuche es zu belächeln aber jedes Mal sehe ich dann nur ich bin fett obwohl ich vielleicht nie schwanger werde und dann bin ich tief traurig und wütend auf mich….

  4. Danke für diesen Text. Du sprichst mir aus der Seele und ich habe zum ersten Mal das Gefühl, dass jemand mich versteht. Ich habe vor kurzem 12 Kilo abgenommen und natürlich ist der Bauch noch geblieben… Das ständige Nachfragen verletzt und ich empfinde es tatsächlich, genau wie du, als übergriffig.

  5. Ich habe vor bald fünf Monaten meinen Sohn in der 39. Schwangerschaftswoche verloren. Vier Monate hielt ich mich zuhause versteckt, bis ich mich vor einigen Wochen wieder in das Leben zurück traute.
    Natürlich habe ich noch einen Babybauch. Dass mich wildfremde Personen darauf ansprechen und diese ultra dämliche Frage wagen zu stellen, ist nicht nur übergriffig, es ist tragisch. Ich brauche Tage, diese Frage zu verdauen. Ich merke, dass mich das beeinflusst: als vor einem shopping Termin zuletzt diese Frage fiel, kaufte ich im Anschluss nur weite und zu große Sachen. Zuhause habe ich mich geärgert. Dieser Schlabberlook sollte mich schützen, aber es macht mich nur noch trauriger, als ich es eh schon bin.

    Wenn das noch mal jemand fragt, werde ich hoffentlich wütend und nicht sprachlos, weil jemand in meiner schmerzhaftesten Wunde herum stochert.

    1. Liebe Nesrin, es tut mir so leid, was Du erfahren musstest. Von Herzen viel Trost für Dich! Und danke, dass Du Deine Geschichte teilst, vielleicht hält sie jemanden von dieser unbedachten Frage ab. Alles Gute, Svenja

  6. Bin 40+,2 Kleinkinder. Werde jede Woche gefragt, könnte einfach nur durchdrehen! War auf der Suche nach einer guten Antwort. Ich finde das so mega übergriffig u fühl mich schon so unwohl in meinem Körper, versuche manisch die richtige Kleidung zu finden, um meinen Bauch zu verstecken. Bin groß, super schlank u hab ein Hohlkreuz plus Bäuchlein. Die Leute sind sich immer sicher, der Sitzplatz in der Bahn is fix. Ich dreh durch. Also liebe Svenja u allen anderen, denen es so geht, I feel you!!

  7. Liebe Svenja,
    danke für deinen Artikel!
    Ich musste leider gestern auch wieder die Frage über mich ergehen lassen.
    Wir haben schon 2 Kinder und bei den beiden soll es auch bleiben.
    Gestern nach dem Abendessen bei der Oma meines Mannes, kam dann auch die Frage ob ich denn schwanger wäre. Ich bin leider null schlagfertig und war einfach nur entsetzt und fragte: Wie kommst du denn darauf? „Naja du hast ja ein kleines Bäuchlein“ und dann tatschte sie mir noch auf den Bauch!
    Ich fand das so unglaublich grenzüberschreitend und demütigend in dem Moment. Habe im Auto nach Hause die ganze Zeit geweint. Ich achte so sehr auf meine Figur, schau nach dem Essen, mache jeden zweiten Tag Kraftsport – aber ja – die Schwangerschaften haben am Bauch ihre Spuren hinterlassen! Und dazu kommt noch dass man bei mir am Abend sieht, dass ich tagsüber was gegessen habe.
    Ich finde es einfach unfassbar nervig, dass ich so abgescannt und bewertet werde. Das ist mir nun schon ein paar Mal passiert, dass mir diese Frage gestellt wurde, obwohl es nicht der Fall war – und es haben bisher immer nur Frauen gemacht! Wo bleibt das Feingefühl?
    Ich muss mir mal was Gutes zurechtlegen – falls die Frage mal wieder aufkommt.
    Eine Idee (ich muss gestehen etwas umständlich ist es schon) wäre immer einen Schnaps dabei zu haben und dann auf die Frage mit „JA!“ zu antworten und sich den Schnaps hinterzukippen. Vielleicht würde der Fragestellerin dann mal auffallen, wie doof das war…vielleicht aber auch nicht….

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