Mein Berlin.

Mein Berlin.

Berlin und ich, wir hatten einen etwas holperigen Start. Es zog mich beruflich in die Stadt und ich fühlte mich ein wenig wie strafversetzt. Ich wollte hier nicht hin. Aber die Umzugkartons waren noch nicht alle ausgepackt, da hatte Berlin mein Herz schon gewonnen. Es war Liebe auf den zweiten Blick, aber ein dritter Blick war nicht nötig.

Wie in jeder guten Beziehung habe ich Berlin seitdem oft angedroht, Schluss zu machen. All den Müll, die vielen Straßen, die verrauchten Spätkaufs hinter mir zu lassen und mir jemand anderen zu suchen, ein Städtchen im Grünen vielleicht, mit einer kleinen Dorfschule und eigenem Carport. Aber wenn ich ehrlich zu mir bin, möchte ich das gar nicht. Berlin mit seiner sprichwörtlichen Schnauze, arm aber sexy, um noch ein Klischee zu benennen, ist mein Zuhause geworden. Berlin mit seinem Ruf von den unfreundlichen Leuten hat mir so viele unsagbar freundliche Menschen geschenkt.

Als ich nach Berlin kam, war die Mauer längst gefallen. Und doch kann man die Geschichte an so vielen Plätzen der Stadt noch einatmen und kann man spüren, wie wertvoll die Freiheit und die Offenheit der Welt gegenüber ist. Pathetisch? Wahr!

Nun trägt die Stadt Trauer. Trauer um zwölf willkürlich getötete Menschen, Trauer um die eigene Verletzlichkeit. Trauer zeigt sich in vielen Formen. Ich erlebe Berlin so still wie noch nie. Und doch ein Stück weit gelassen.

Auch ich befasse mich mit meiner Trauer. Ich erkläre meinem Schulkind morgens zwischen Müsli und Adventskalender in kindgerechten Worten, was an der Gedächtniskirche passiert ist. Ich drücke meine Tochter morgens ein bisschen länger als sonst und tröste sie, dass der rbb nicht wie angekündigt in die Kita kommt, weil andere Nachrichten gefilmt werden müssen. Ich bin dankbar, dass sich Freunde nach mir erkundigen. Ich erlebe Netzwerke und Anteilnahme über Grenzen hinweg. Solidarität. Worte, die helfen.

Aber eines ist vielleicht anders als in anderen Städten, die Ziel von Anschlägen wurden. Berlin hat seine Unschuld nicht verloren. Denn Berlin war nicht unschuldig. Berlin, eine Stadt von der so viel kriegerischer Schrecken ausging, Berlin, eine Stadt, die sich vielleicht wie keine andere die Freiheit zurück erobert hat, ist nicht über Nacht politisiert worden. Das Selbstverständnis der Berliner ist lange gewachsen, steht auf vielen Scherbenhaufen und hat sehr dunkle Zeiten überwunden. Und so hoffe und wünsche ich sehr, dass Berlin meine Stadt bleibt, dass Berliner nicht mit Argwohn und Vorverurteilung reagieren, nicht die Einschränkung von Grundrechten fordern und sich nicht von Hass und Angst vereinnahmen lassen. Nicht mein Berlin.

Trauer zeigt sich in vielen Formen, aber nicht immer wird sie der Stadt zugestanden. Wir müssen erfahren, wie Politiker die Geschehnisse instrumentalisieren. Wie die CSU eine trauernde Stadt, in der einst die Mauer fiel, dazu missbraucht, härtere Abschottung zu fordern. Während wir Berliner Eltern versuchen, unseren Kindern zu erklären, wie wir auch in schwierigen Zeiten auf Mitgefühl und Hilfsbereitschaft setzen können, kommt ein Horst Seehofer daher und will mein Berlin für seinen geschmacklosen Wahlpopulismus nutzen. Das macht mich so unsagbar wütend. Es ist einfach nur widerlich.

In Berlin aber vernehme ich in der Stille am lautesten diese Stimmen, die sagen, nur Liebe kann die Antwort sein. Und genau das ist unser aller Aufgabe.

Vielen Dank fürs Teilen <3

Ein Gedanke zu „Mein Berlin.“

  1. Danke für diesen Beitrag der auch meine Gefühle und Gedanken ausdrückt wie ich es nicht könnte.
    Du musst aber hierbleiben Carports undHäuschen im Grünen gibt es auch in Berlin, das ist ja hier das Tolle – es gibt Alles!!
    Jetzt erst Recht : Frohe Weihnachten!

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