Ein Umzug mit Kindern ist keine alltägliche Situation. Als wir im Sommer aus Berlin in den Vorort zogen, blieb mein Leben dennoch in wesentlichen Punkten konstant: ich behielt meinen Job in Berlin, sah weiterhin die gleichen Kolleginnen und Kollegen und konnte doch auch im großen und ganzen meinen Freundeskreis behalten.
Für die Kinder jedoch war der Umzug ein paar Meter hinter die Stadtgrenze ein deutlich radikalerer Umbruch. Auch wenn sie ihre alten Freundinnen und Freunde noch hin und wieder sehen, bauen sie ein gänzlich neues Leben auf. Da sie die neue Umgebung schon kannten und viel in die Planung eingebunden waren, habe ich zunächst unterschätzt, wie stark der Einschnitt tatsächlich sein würde. Nun, nach Ende des ersten Schulhalbjahres, haben wir große Schritte gemeistert und doch ist dieser Prozess noch nicht vorbei.
Kinder stärken – Ja, aber wie?
Fast täglich habe ich mich in dieser Zeit gefragt, wie ich meine Kinder stark machen kann für all jenes, was auf sie zukam. Für die Blogparade Kinder stark machen: Ja, aber wie? von Bella und ihrem Blog Familieberlin möchte ich ein paar meiner Erfahrungen zusammentragen, die sich vor allem auf das neue soziale Umfeld der Kinder beziehen. Wie begleite ich meine Kinder auf der Suche nach neuen Freundschaften? Was können wir als Eltern tun, wenn unsere Kinder zwischen Vermissen und Entdecken verunsichert, traurig oder einsam sind?
Hallo, ich bin der Neue
Wir zogen zum Ende der Sommerferien um und somit war eine ruhige Ankunftszeit nicht möglich. Bevor wir richtig in der neuen Wohnung angekommen waren, stand schon der erste Schultag in der neuen Schule auf dem Kalender. Das kleinere Kind wurde eingeschult und begann so die Schule in einer neuen Gruppenkonstellation. Das ältere Kind hingegen kam in eine bestehende dritte Klasse.
Am ersten Schultag begleitete ich den großen Hauptstadtsohn bis zu seiner neuen Klasse. Er geht sehr offen auf andere Kinder zu, daher war ich zuversichtlich, dass er diese schwierige Situation meistert. Und auch er zeigte wenig Angst vor der neuen Schule. Einzig ein „Mama, das ist nun doch ein bisschen nervig“, äußerte er, als er vor dem neuen Klassenraum stand. Und in diesem Augenblick, als der eigene Mut auf dem Prüfstand lag, kam die Hilfe ganz von alleine: in diesem Fall durch einen zweiten Jungen, der ebenfalls neu hergezogen war. Zusammen ist man weniger allein.
Und was kann ich tun?
Im Klassenzimmer kann ich mein Kind nicht stärken, hier stärkt er sich selbst, Tag für Tag. Aber außerhalb der Schule ist die Begleitung umso wichtiger. Denn „der Neue“ ist das Kind nicht nur einen Tag. Es befindet sich in einem Prozess und hat damit gute und weniger gute Wochen. Es vergleicht sich mit den anderen Kindern seiner Klasse und ist doch in einer ganz anderen Situation. Wir reflektieren gemeinsam und ich helfe ihm einzuordnen. Als das Kind zum Beispiel Heulsuse genannt wurde, erklärte ich ihm, dass es einfach sei, so etwas zu sagen, wenn man niemals selbst als Neuer in eine Klasse kam. Und wie stark und mutig mein Kind sich dieser Aufgabe stellt, zu der auch mal Tränen gehören.
So lange Kinder noch Gewicht in das legen, was wir Eltern sagen, ist unsere Rückendeckung doppelt bedeutsam: Du bist genau richtig, Du bist mutig, sei stolz auf Dich, denn ich bin es auch.
Zwischen Spiel und Einsamkeit
In der ersten Klasse sind alle Kinder neu und finden sich, so dachte ich vorab und so war es damals auch beim Hauptstadtsohn in Berlin gewesen. Doch von diesem Optimismus musste ich mich bei der Hauptstadttochter schnell verabschieden. Zu eng und bedeutsam waren bei ihr die Kita-Freundschaften gewachsen, zu schwer fand sie in die Klasse, in der sich doch auch schon einige kannten. Während morgens alle Schülerinnen und Schüler um die Tische sprangen, saß mein Kind auf ihrem Platz und kämpfte mit den Tränen, Tag für Tag. Meine normalerweise so starke, fröhliche, in sich ruhende Tochter brauchte vor allem eines, um gestärkt zu werden: wir trugen sie durch diese Tage. Wir hielten sie, wir lenkten sie ab, die ganze Familie war einfach da. Und so wurde es besser. Langsam, aber immer besser. Und heute ist es gut.
Ihre alte Stärke ist schon fast wieder zurück. Nur hin und wieder gerät sie noch ins Wanken, wie eben die neuen Kontakte auch noch nicht auf festem Fundament stehen. Gespräche helfen ihr gerade sehr, kleine Erzählungen, wie ich mit ähnlichen Situationen umgehe. Selten dauert so eine Unterhaltung länger als fünf Minuten. Sie gibt vor, wenn sie dafür bereit ist. Alles, was ich tue, ist, diese kleinen Zeichen wahrzunehmen.
Mittragen, Zuhören, Schlaumachen
„Wie hält man es aus, wenn es den Kindern schlecht geht?“ fragte ich meine Mutter in dieser Zeit am Telefon. „Gar nicht“, war ihre Antwort.
Doch sind wir ehrlich: Das gehört zum Leben dazu, ob wir es wollen oder nicht. Kinder stark zu machen heißt nicht, dass wir sie vor schwierigen Erfahrungen schützen können. Es hilft auch nicht, jeden, der unser Kind verletzt, wie eine Löwenmutter aus dem Weg zu beißen. Kinder stark machen heißt, dass wir sie auffangen, sich selbst erfahren lassen und doch der Hafen und der Leuchtturm sind.
Und genau wie meine Eltern mich seit über 40 Jahren durch schwierige Zeiten tragen, so trage ich heute meine Kinder. Kindertränen tun uns selbst so weh, jede einzelne, und die ungeweinten noch viel mehr. Aber wir machen unsere Kinder stark, in dem wir ihren Kummer sehen und als solchen anerkennen. Zuhören. Uns auf den Spagat einlassen, nichts als halb so wild abzutun und doch nichts übermäßig groß werden zu lassen.
Über den eigenen Schatten springen
Um die Kinder stark zu machen, komme ich nicht umhin, auch mich stark zu machen. Und während ich eigentlich ein Mensch bin, der langsam neue Kontakte knüpft, gibt einem das Leben als Mutter diese Zeit nicht. Und so rufe ich mir unbekannte Handynummern an, wenn ein Kind diese mitbringt und sich verabreden möchte, so haben wir ganz schnell einen Sportverein gesucht, so klingelten wir an Halloween an Tür und Tor und sprachen Konflikte mit Lehrkräften oder im Hort an.
Wichtig fand ich dabei nur, mich nicht zu verbiegen. Die Kinder wussten, dass auch mir der Abschied von Berlin sehr schwer fiel. Ob ich sie damit im Ankommen gebremst habe oder ob sie sich verstanden fühlten? Ich weiß es letztlich nicht, aber ehrlich sein ist für mich der einzige gerade Weg.
Alles anders – etwas bleibt
Was die Kinder stark macht, ist, dass ihre alten Freundschaften bleiben. Das ist nicht leicht mit einer neuen Schule und neuem Alltag, ohne selbst nach Berlin fahren zu können und ohne eigenes Handy. Daher sind wir als Eltern die starken Vermittler, organisieren, fahren oder rücken das eigenen Handy heraus, wenn Emojis verschicket werden wollen. Das ist der einfache Teil, denn es ist ein praktisches Stärken. Und doch war es besonders wichtig, auch diesen Teil im eigenen Stress nicht zu vertagen und nicht zu vergessen.
Da musst Du durch?
Kinder können noch nicht abschätzen, dass es besser werden wird, wenn der neue Wohnort erst ein Zuhause geworden ist. Unsere beiden wären sofort zurück gezogen. Die Sehnsucht nach der alten Schule war groß. Die Hauptstadttochter wollte ihren Geburtstag in der alten Wohnung feiern, weil es da ihrer Meinung nach mehr Geschenke gab, aber vor allem ein bekanntes Geburtstagsritual. Große Kleinigkeiten geben den Ausschlag.
Erwachsene sehen eher, dass nach der Umstellung die vielen guten Seiten zum Tragen kommen werden. Mit dieser Erfahrung zu sagen „Da musst Du durch!“ macht jedoch die Gegenwart kein Stück einfacher, begleitet nicht und gibt keinen Trost. „Wenn es hier nicht gut wird, dann ziehen wir zurück nach Berlin.“ Diesen Satz habe ich meinen Kindern stattdessen mitgegeben, um ihnen den stärksten Druck zu nehmen.
Denn sie waren diesem Umzug letztlich ausgeliefert und doch sollte es eine gemeinsame Entscheidung und ein gemeinsamer Weg bleiben. Und das bedeutete auch, in Aussicht zu stellen, dass es Alternativen gibt, die wir bereit sind zu gehen. Da musst Du durch? Klar, an einem einzelnen Morgen mit Schulpflicht schon. Aber nicht generell. Und vor allem niemals alleine.
So nahm das Vermissen der alten Wohnung und der alten Stadt Stück für Stück ab. Wir sind angekommen, mit starken Kindern.
Eure Svenja
Wie lange habt Ihr gebraucht, um mit Kindern im neuen Wohnort anzukommen? Ich freue mich über Eure Erfahrungen in den Kommentaren.
Hallo und erst einmal vielen Dank, für diesen aufmunternden Beitrag. Ein Umzug mit Kindern ist wirklich nicht einfach und der Neustart manchmal aufreibend. Hat die Umzugsfirma im besten Fall bereits alles in die neue Wohnung transportiert oder man den Umzug selbst organisiert, sieht man sich auf einmal mit ganz zwischenmenschlichen Schwierigkeiten konfrontiert. Dieser Artikel macht jedoch Mut, dass sich das Wagnis dennoch lohnt 🙂
Das ist guter Rat, die Umzug mit dem Kind zu besprechen und ihm zu ermutigen, wenn die neue Stadt oder Schule herausfordernd wird. Meine Schwester soll im Dezember umziehen und sie macht sich über die Kinder Sorgen, weil es in der Mitte des Schuljahres sein wird. Ich werde ihr diesen Beitrag schicken, denn er könnte ihr sehr hilfreich sein.
Danke, dass Sie diesen Blog über Umzüge mit anderen teilen. Ich plane, innerhalb weniger Monate umzuziehen. Um meiner Familie diese Erfahrung zu erleichtern, werde ich nach einem Umzugsunternehmen suchen, das uns dabei helfen kann.