Mit 40 Jahren kommt für gewöhnlich der Moment, an dem man in den Spiegel schaut und erschrickt. Und zwar nicht, weil die Haare grauer werden oder der mangelnde Schlaf seinen Tribut fordert. Sondern weil uns aus dem Spiegelbild die eigene Mutter/ der eigene Vater anzuschauen scheint. Oder wir hören uns gewohnte Sätze sagen, die wir niemals von uns geben wollten – und es dann eben doch tun.
Vielleicht kommt dieser Moment schon unweigerlich, wenn wir selbst Eltern werden. Noch klarer wird der Vergleich, wenn unsere Kinder so groß sind, dass wir selbst erinnern, wie es war, in diesem Alter Kind zu sein. Wir reflektieren uns in der Rolle als Eltern und kennen zugleich die Rolle des Kindes. Der eine eifert nun seinen eigenen Eltern nach, der andere versucht, in das genaue Gegenteil der eigenen Kindheit zu steuern. Wir versuchen, Fehler nicht zu wiederholen und setzen eigene Prioritäten.
Wir sind geprägt von unseren Eltern, aber wie wollen wir selbst als Eltern sein?
Habt Ihr schon darüber nachgedacht, wie es bei Euch ist? Mir war dieses lange Zeit gar nicht so richtig bewusst. Ich habe ein gutes Verhältnis zu meiner Mutter, ich habe ein gutes Verhältnis zu meinem Vater, ich habe ein ganz eigenes Verhältnis zu meinen Kindern. Punkt. Doch je länger ich darüber nachdenke, umso mehr fällt mir auf, dass ich mein Elternsein nicht losgelöst vom eigenen Aufwachsen betrachten kann. Und jetzt wird mir klar, was für ein großes, großes Glück mir gegeben ist. Denn natürlich haben auch meine Eltern Fehler gemacht. Hätten sie nicht diese gemacht, hätten sie andere gemacht. Aber ich bin im Reinen mit allem. Ich bin dankbar und ich bin glücklich. Ich kann in den Spiegel schauen und sagen, ich bin zwar ein komplett anderer Mensch, aber in einigen Dingen möchte ich genau so sein wie meine Eltern.
Was ich an meinen Eltern bewundere und gerne meinen Kindern weitergeben möchte
- Ich weiß mich geliebt. Immer. Ob ausgesprochen, ob mit kleinen Gesten oder mit großen Rettungsaktionen, meine Eltern ließen hier niemals Platz für Zweifel.
- Als Kind durfte ich eigenständig Dinge tun, wenn ich sie eigenständig tun wollte – und wenn nicht, dann waren sie an meiner Seite.
- Niemals haben meine Eltern ein böses Wort über den jeweils anderen verloren. Trotz Trennung. Wie habt Ihr das nur geschafft? Ich bekomme das ja in einer glücklichen Beziehung kaum hin, wenn ich mal wütend bin.
- Auch in meine Beziehungen haben sich meine Eltern nie eingemischt. Weder, als sich der erste Kandidat vor ihnen hinter den Mülltonnen versteckte, noch später, als es ernster wurde. Lediglich aus ihrem „Vielleicht ist es auch besser so“ konnte ich nach der Trennung von meiner ersten großen Liebe heraushören, dass ihnen der Hafenstraßenbesetzer nicht ganz so recht gewesen war, aus Gründen. Hilfe, das wird echt noch eine große Herausforderung, wenn meine Kinder in dem Alter sind. Oder ist es doch ganz einfach? Immer an ihrer Seite, mit all ihren Lieben.
- Ich habe spät eigenes Geld verdient und dafür lange studiert. Als ich fertig studiert hatte, habe ich meinen Eltern offenbart, dass ich noch ein Jahr studieren möchte. Meine Eltern haben mir dieses ermöglicht. Und was das Besondere daran ist, sie haben es getan ohne zu hinterfragen, wann ich dann mal unabhängig sein werde.
- Wir haben einander eine Vertrauensbasis geschaffen. Wir haben unsere eigenen Leben und doch die Gewissheit, das ein Anruf stets genügen würde, für alles.
- Meine Eltern sind wundervolle Großeltern. Wir sehen uns nicht allzu oft, aber ihre Arme sind für meine Kinder genauso offen wie sie es für mich immer sind und das macht mich glücklich. Dafür liebe ich sie so sehr.
Liebe Mama, lieber Papa, wisst Ihr das eigentlich, dass ich so vieles mitgenommen habe? Ganz speziell von Euch? Die Herzlichkeit, die Offenheit, die Bescheidenheit. Das einander so ernst nehmen, von frühen Kindesbeinen an. Wisst Ihr, wie glücklich ich bin, dass Ihr mir für die ganzen Unwägbarkeiten im Leben ein Grundvertrauen mitgegeben habt? Dass ich heute so vieles davon weitergeben kann, ist mein Danke an Euch.
Und übrigens: alles Gute zum Geburtstag, beste Mama von allen!
Viel zu selten sagen wir im Alltag unseren Lieben, was wir an Ihnen haben. Wiebke vom Blog Verflixter Alltag ruft mit der Blogparade Liebesbriefe dazu auf, genau das zu ändern. Nehmt auch mit Euren Beiträgen oder Euren Kommentaren teil und verteilt etwas Liebe. Die Welt kann es gerade gebrauchen. Eure Svenja —
Titelbild pixabay.com,
Liebesbriefparade verlixteralltag.de
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Oh das hört sich ganz wundervoll an. Es ist schön, dass Du so im Reinen bist mit der Beziehung zu Deinen Eltern. <3 Und schön, dass Du dies mit uns geteilt hast.
LG Wiebke
Vielen Dank! Ja, da habe ich großes Glück. Schön, dass Du diese Blogparade ins Leben gerufen hast.
Schöne Worte! Das hätte auch ich über meine Eltern schreiben können (inklusiver „geglückter“ Trennung).
… und gerade die scheint mir der schwierigste Punkt zu sein! Es freut mich, dass es bei Euch auch gut ist. LG!